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Kreislauffähig beschaffen – wie geht das?
10.07.2025 Kreislauffähige Beschaffungen schonen natürliche Ressourcen – und das Portemonnaie. Den gesamten Lebenszyklus eines Produkts bei der Beschaffung mitzudenken, will gelernt sein: Über den gesamten Beschaffungsprozess hinweg gilt es einige wichtige Punkte zu beachten.
Eine auf Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Beschaffung strebt einen schonenden Umgang mit den Ressourcen an, die für die Herstellung der eingekauften Güter benötigt werden. So trägt die kreislauffähige Beschaffung zur Reduktion der Emissionen einer Organisation, Firma oder Stadt bei. Die kreislauffähige Beschaffung überzeugt aber nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch: Anbietende verkaufen ihre kreislauffähigen Produkte nämlich mit einem passenden Geschäftsmodell: Dieses schlägt aus der Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Modularität der Produkte Profit.
Eine kreislauffähige Lösung besteht also aus einem kreislauffähig designten Produkt und einem dazu passenden Geschäftsmodell. Will eine Beschaffungsstelle ressourcenschonend einkaufen, muss sie diesen Zweiklang in entsprechend formulierte Anforderungen übersetzen. Spezialisierte Organisationen wie Prozirkula können sie dabei unterstützen.
Müssen wir unser Bedürfnis zwingend durch den Kauf eines Produkts befriedigen? Oder besteht unser Bedürfnis bei genauem Hinschauen aus «Mobilität» und nicht darin, ein «Auto zu kaufen»?
Präzise Bedarfsanalyse und alternative Nutzungsmodelle
Damit eine Beschaffungsstelle ressourcenschonend einkaufen kann, muss sie ihre Beschaffungstätigkeiten systematisch auf die Kreislaufwirtschaft ausrichten.
Dies fängt bereits bei der Bedarfsanalyse an: Welches Bedürfnis haben wir genau? Müssen wir dieses zwingend durch den Kauf eines Produkts befriedigen? Oder besteht unser Bedürfnis bei genauem Hinschauen beispielsweise aus «Mobilität» und nicht darin, ein «Auto zu kaufen»? Das Bedürfnis Mobilität kann mittels unterschiedlicher Lösungsvorschläge befriedigt werden: Ein Mobilitätsabonnement, ein Shuttlebus oder ein optimiertes Mobilitätsmanagement optimieren zum Beispiel die Auslastung der vorhandenen Fahrzeuge und ermöglichen so mehr Fahrten ohne zusätzliche Fahrzeuge.
Wer eine Bedarfsanalyse macht, tut gut daran, sich auch die Fragen zu alternativen Nutzungsmodellen zu stellen: Könnten Produkte geliehen oder gemietet werden, statt sie zu kaufen? Dazu muss die Beschaffungsstelle den Markt gut genug kennen oder gegebenenfalls die nötigen Recherchen anstellen.
Zuschlagskriterien zugunsten der Kreislaufwirtschaft sollten mindestens mit 20 % gewichtet werden. Nur so lohnt sich der Aufwand für Anbietende, die Kriterien umsichtig zu beantworten.
Konkrete und evaluierbare Kriterien
Ist die Bedarfsanalyse gemacht, gilt es, die Kreislaufanforderungen an den Beschaffungsgegenstand zu präzisieren: Sollen wir den Fokus bei diesem Beschaffungsgegenstand auf eine gute Wartung und Reparierbarkeit legen? Oder ist die Rücknahme und Weiterverwendung durch die Anbietenden der zentralste Aspekt? Die zentralen Anforderungen müssen anschliessend in Ausschreibungskriterien übersetzt werden, die gut evaluierbar sind. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Kriterien klar formuliert sind. Der geforderte Nachweis und der Bewertungsschlüssel müssen offengelegt werden. Nur so verstehen die Anbietenden, was von ihnen erwartet wird und können ihre Angebote entsprechend schärfen.
Wie schreibe ich ein wiederverwendbares Produkt aus?
Formulierungen fürs Pflichtenheft
Ich möchte ein Produkt beschaffen, das unbedingt wiederverwendbar sein soll. Welchen Wortlaut schreibe ich ins Pflichtenheft?
Unter «Verwertung» führe ich aus: «Die Anbieterin führt von ihr offerierte und nach Gebrauchsende von der Kundin zurückgenommene Produkte einer fachgerechten Aufbereitung, dem Wiedereinsatz oder dem Recycling zu.»
Zudem verlange ich: «Die Anbieterin beschreibt auf maximal drei A4-Seiten nachvollziehbar den Verwertungsprozess.»
Als Kriterien für die Verwertung definiere ich:
- Thermische Verwertung (0% der Punkte)1
- Recycling (30% der Punkte)
- Verkauf auf Gebrauchtmarkt (70% der Punkte)
- (Aufbereitung und) Wiedereinsatz von Komponenten und Materialien in Neuprodukten oder als Ersatzteile (100% der Punkte)
1 Ein Bewertungsschlüssel nennt immer auch, wofür es keine Punkte gibt. Hier könnte man auch sagen: «Keine Antwort» oder «thermische Verwertung» ist beides nicht gut genug, um dafür Punkte zu erhalten.
Die meisten Kreislaufanforderungen werden als Zuschlagskriterien formuliert. Auch technische Spezifikationen sind möglich, falls diese auf dem Markt ausreichend verbreitet sind. Von der Formulierung von Eignungskriterien rät Prozirkula derzeit ab, weil die Nachweise noch nicht genügend vergleichbar sind. Darum wäre die Evaluation der Antworten dazu schwierig und überdies juristisch heikel, Anbietende aufgrund solcher Eignungskriterien auszuschliessen.
Prozirkula vertritt die Haltung, dass Zuschlagskriterien zugunsten der Kreislaufwirtschaft mindestens mit 20 % gewichtet werden sollten. Nur so lohnt sich der Aufwand für Anbietende, die Kriterien umsichtig zu beantworten. Und natürlich gilt: Mit dem Abschluss des Ausschreibungsverfahrens müssen die formulierten Kreislaufanforderungen schliesslich auch in den Vertrag übersetzt werden.
Die Kreislaufwirtschaft in den gesamten Beschaffungsprozess einzubeziehen, kann anfangs komplex sein, da zahlreiche Prozesse davon betroffen sind.
Den ganzen Lebenszyklus mitdenken
Für Beschaffungsorganisationen, die erstmals mit Kreislaufanforderungen arbeiten, kann es dienlich sein, eine Zweitevaluation durch eine externe Fachexpertin durchführen zu lassen. Die Kreislaufwirtschaft in den gesamten Beschaffungsprozess einzubeziehen, kann nämlich anfangs komplex sein, da zahlreiche Prozesse davon betroffen sind. Für eine systematische Ausrichtung der Beschaffung auf die Ressourcenschonung, müssen die Ansätze der Kreislaufwirtschaft beispielsweise auch in das Lieferantenmanagement integriert werden. Dazu sollte mit den Lieferanten das Entwicklungspotenzial in Richtung Kreislaufwirtschaft partnerschaftlich diskutiert werden: Dank welcher Massnahmen können die Produkte länger genutzt werden? Könnte eine vorausschauende Wartung den Lebenszyklus verlängern? Wie sieht die Rückgabe der Produkte an die Anbieterin aus? Kann die Beschaffungsstelle einen Schritt weiter gehen und aufbereitete Produkte in der Beschaffung einfordern?
Auch weitere Prozesse sind bewusst auf die Kreislaufwirtschaft auszurichten: Entsprechende Ziele müssen in weisenden Dokumenten wie den Warengruppenstrategien, der Beschaffungsstrategie oder der Zielvorgabe für die Mitarbeitenden abgebildet sein. Die oberen Verwaltungsebenen müssen die Bemühungen zur Ressourcenschonung im Einkauf unterstützen. Und auch die Bewirtschaftung muss sich an der Maxime der Ressourcenschonung ausrichten: Als Maxime gilt meist, möglichst lange mit dem Bestand zu arbeiten. Darum kann es beispielsweise klug sein, anstelle einer Neubeschaffung einen Rahmenvertrag für eine Produktaufbereitung auszuschreiben. Dazu muss die Organisation bei der Erstbeschaffung auf langlebige und zerlegbare Produkte achten. So kann sie diese später von einem Aufbereitungs-Anbieter wieder verwenden lassen – und zwar als Ausgangsmaterial für eine ressourcen- und CO2-arme Neuproduktion.
Wenn innerhalb einer Organisation alle Beteiligten am selben Strick ziehen, kann eine Beschaffungsstelle ihre Nachfragemacht dafür einsetzen, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft effektiv zu beschleunigen.