- Auszeichnung
Hyperreflektion mit Knalleffekt
17.11.2025 HKB-Alumna und -Dozentin Dorothee Elmiger gewinnt auch den Schweizer Buchpreis – verliehen wurde der Preis am Sonntag am Literaturfestival BuchBasel.
BuchBasel, das bedeutete zwei randvolle Arbeitstage für Dorothee Elmiger: Am Samstag schon um 10 Uhr Live-Sendung im Festivalradio, am späten Nachmittag eine erste Lesung, am Abend noch eine Moderation obendrauf. Am Sonntag wieder zeitig aufstehen, um noch vor dem Mittag im Theater Basel den Schweizer Buchpreis abzuräumen, nach dem Deutschen vor gut einem Monat. Und am Nachmittag gleich noch einmal eine Lesung vor vollen Rängen – da wirkte die Abgängerin des Schweizerischen Literaturinstituts und heute HKB-Dozentin allerdings und verständlicherweise mit der Welt und sich im Reinen. Noch einmal diese Holländerinnen also, im Gespräch mit der Autorin Ivna Žic, die sich umstandslos und wortreich als Fan outete.
Aber wer ist schon nicht begeistert von diesem dünnen Band, der es allerdings in sich hat. Eine Reise in die tiefsten Tiefen eines namenlosen Dschungels, auf der Suche nach diesen Holländerinnen (beziehungsweise, und das ist entscheidend: nach ihrer Geschichte) und wer irgend Ahnung von menschlicher Psychologie und vielleicht auch vom Schreiben und von Literatur- und Filmgeschichte hat, der weiss: so eine Reise ist immer auch eine in die eigenen inneren Unwegsamkeiten. Oder wie es Elmiger auf dem Podium ausdrückte, aus dem Text zitierend: der Urwald, diese dunkle unheimliche Landschaft, scheine der Protagonistin bald wie das umgestülpte Innere («diese Angstlandschaft […] erscheine ihr so, als hätte sich ihr eigenes zerklüftetes Inneres nach aussen gekehrt»).
Aussen und Innen, schreiben und beschrieben werden, Fremdes und Eigenes: Die Holländerinnen sind vielleicht noch viel mehr als Elmigers frühere Bücher ein Spiegelkabinett, in dem man nur zu gern ein wenig verloren geht. Dass das nicht zuletzt am Sog ihrer Sprache liegt, liess sich in zwei längeren, ebenso ruhig wie eindringlich vorgetragenen Auszügen im Basler Volkshaus nachvollziehen, die Buchpreis-Jury konstatierte entsprechend einen «Leserausch». Aber erklärt das wirklich den phänomenalen Erfolg des Buchs? Vielleicht kommt man der Sache näher, wenn man andere Doppelbödigkeiten bemerkt, zum Beispiel das souveräne Spiel mit dem Trivialen: ein wenig True Crime, aber nur als Vorwand zur Erforschung dieser Investigation, zur Befragung der Motivation der seltsamen Truppe, die sich da einfindet, irgendwo «zwischen den Wendekreisen». Und auch ein wenig Horrorgenre, aber ganz ohne greifbaren, konkreten Horror. Der kommt eigentlich sowieso immer aus der Imagination, scheint uns Elmiger zu sagen, der Dschungel ist harmlos, bis wir ihn mit Geschichten aufladen.
Gold und Glitter aus der Konfettikanone von Ivna Žic
Auch der Witz kommt in ihrem Schreiben nie zu kurz, wie Ivna Žic ganz richtig anmerkte, zum Beispiel wenn ganz nebenbei ein «Monchichi im Dirndl» auftaucht. Elmiger bedankte sich kokett und drehte den Antwortsatz gleich wieder um in eine Selbstbefragung: das Lustige eines Textes bemerke sie ja immer erst bei Lesungen, was vielleicht nicht unbedingt das deutlichste Zeichen für ihre Witzigkeit sei. Zum Schluss holte Žic dann zur Feier des Tages noch eine kleine Konfettikanone aus der Tasche und Elmiger liess es krachen. Ein Knalleffekt, gewiss, aber ein sehr schöner, mit viel Gold und Glitter. Sehr angemessen zum Anlass und zu diesem schillernden Buch, das einer hyperreflektierten, dabei aber ungemein unterhaltsam schreibenden Autorin ein hoffentlich breitestmögliches Lesepublikum beschert.
Autor: Roland Fischer, Wissenschaftsjournalist in Basel