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Engagierte Diskussionen über die Zukunft des Bauens mit Holz
25.09.2025 Bauen mit Holz? Natürlich! Dass Holz das Material der Wahl ist, stand am 18. Holzbautag Biel der Berner Fachhochschule ausser Frage. Es ist ein nachwachsender und nachhaltiger Rohstoff. Dass sich Holz zudem äusserst effizient einsetzen lässt, hat sich ebenfalls breit etabliert. Aber wie steht es beim Bauen mit Holz um die Robustheit des Tragwerks? Die Referenten lieferten den gut 350 Kongressteilnehmenden überzeugende Beispiele.
Text Dorothee Bauland, Sue Lüthi | Bilder Matthias Käser
Respekt für Vorhandenes
Mit Respekt für Vorhandenes startete Architekt Rolf Mühletaler (Rolf Mühlethaler Architekten AG) in den 18. Holzbautag Biel und verwies dabei auf Max Schlup, dem Erbauer des Kongresshauses Biel, dessen Beton schliesslich in Holz gegossen wurde. Nach den Begrüssungsworten von Sandra Burlet (Lignum Holzwirtschaft Schweiz) und der Anmoderation von Cornelius Oesterlee (Berner Fachhochschule) widmete sich Mühletaler dem Thema «Hinschauen, was vorhanden ist». Bei seinem Referat standen Bestandsbauten in Langenthal im Zentrum, die in die Zukunft überführt werden sollten. Die Bauherrschaft «Langenthaler Wohnbaugesellschaft Langeten AG» wurde 1907 als «Gesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser» gegründet und steht noch heute hinter dem früheren Namen. Das Architekturbüro von Mühlethaler hat diesen Grundsatz in seine Arbeit einfliessen lassen. «Es geht um die Wertschätzung für das, was da ist», sagt Mühlethaler und zeigte die handgezeichneten Pläne der Häuser aus den 1940er Jahren. Mit diesem Ansatz liessen die Planer einen Teil der Gebäude stehen, ersetzten einen weiteren Teil und platzierten zum Teil in den grosszügigen Zwischenräumen neue Holzbauten. Konsequent blieben die kostengünstigen Wohnungen in den bestehenden Konstruktionen, das heisst Schall- und Wärmeschutz ebenso. Günstiger Wohnraum stehe für Bescheidenheit, sei sozial robust, und die Mieter nähmen Kompromisse in Kauf, argumentierte der Architekt. Die Eingriffe erhielten die handwerklich guten Ausführungen, zum Beispiel der Einbaumöbel. Auch die Grundrisse wurden beibehalten und auf die Neubauten aus Holz übertragen, die von der Hector Egger AG ausführt wurden. Die konstruktiven Details des Holzbaus sind einfach und insgesamt kann die Bauherrschaft heute die doppelte Ausnutzung ausweisen und könnte ihren früheren Namen noch immer tragen.
«Es geht um die Wertschätzung für das, was da ist»
Holzbauingenieur Franz Tschümperlin (SJB Kempter Fitze AG) betonte die Relevanz der Robustheit in der Tragwerksplanung. Gemäss SIA-Norm 260:2013 – 1.1 ist Robustheit «Bestandteil der Tragsicherheit und beschreibt die Fähigkeit eines Tragwerks und seiner Bauteile, Schädigungen oder ein Versagen auf Ausmasse zu begrenzen, die in einem vertretbaren Verhältnis zur Ursache stehen». Er tauchte in die Berechnungsnormen ein und stellte die These auf, dass Holzbauingenieure in der Modellbildung weniger präzise sein können, als die Holzbauer unter Umständen annehmen. Er nennt als Beispiel ein Tragwerksmodell, das gemäss Norm von einem linear-elastischen Verhalten ausgeht, welches die Realität aber nur bedingt zutreffend beschreibt. Effekte wie Schlupf, Schwinden, Kriechen und Toleranzen müssen in Abhängigkeit der potentiellen Auswirkungen individuell betrachtet und gewichtet werden, da Holzbauingenieure sich dem gebauten Tragwerk nur modellhaft annähern können. Umso wichtiger ist es, dass Bauten planungstreu und fachgerecht ausgeführt werden.
Das bestätigte auch Andreas Keller von der Renggli AG, der nachfolgend auf die Lignatec-Neuerscheinung «Robuste Tragwerke im Holzbau» einging. Die Qualität der Ausführung sollte diejenige der Planung weitertragen», so Keller. Er zitierte Checkpunkte des Lignatec-Dokument 37/2024, zum Beispiel für den Holzschutz:
- Abstände zu Gelände und Balkon grösser als 30 cm
- Statisch tragende Bauteile konstruktiv schützen
- Gefälle bewitterter Bauteile mindestens 15°
- Wahl der geeigneten Holzart, Fassadenschalungen schmaler als 120 mm, Holzquerschnitte kleiner als 30 mm
Auch hier gelten die Grundsätze, die bereits Rolf Mühlethaler antönte: «Holz ist Holz und bleibt auch Holz». Die Firma Renggli habe für die Qualitätssicherheit ein Tool entwickelt, mit dem sie alle Details bereits in der frühen SIA-Phase 31 planen. Der montierende Handwerker fotografiere seine fertige Arbeit und lege das Foto als Bestätigung zum Plan, so dass die fachgerechte Ausführung später verdeckter Details auch im Nachhinein noch nachvollzogen werden kann. Der Aufwand in der frühen Planung bringe dafür in der Offert- und Vergabephase Zeitersparnis. Belegt wurde der Erfolg dieses Ansatzes durch das Aufzeigen sehr gut gealterter Holzbauten. Zudem wurde die Wichtigkeit der Vernetzung aller Beteiligten betont.
Daten & Fakten
- 18. Holzbautag Biel
- 17. September 2025
- Kongresshaus Biel
- Veranstalterin: Berner Fachhochschule, Biel
- Partnerin: Lignum Holzwirtschaft Schweiz
- 16 Referate, 27 Referentinnen und Referenten
- Moderation: Cornelius Oesterlee und Stanislas Zimmermann
- 350 Teilnehmende
Risiko und Sicherheit im Holzbau
Dass sich Gesellschaften schon vor 4000 Jahren auf juristischer Ebene mit der Sicherheit von Bauwerken beschäftigten, wusste Dirk Proske (Professor für Riskmanagement an der Berner Fachhochschule) zu berichten. Um 2000 vor Christus drohte dem Baumeister als Strafe der Tod, wenn der Bauherr von seinem Haus erschlagen wurde. Die Entwicklung der Sicherheit im Baubereich ist also schon lange ein Thema. «Wenn man die Zeit vom römischen Reich bis heute betrachtet, sieht man auf Basis empirischer Beobachtungen, dass wir diesbezüglich heute besser geworden sind», versicherte Proske und lieferte auch Zahlen dazu. Dennoch: Einstürze von Gebäuden und Brücken gibt es, gab es schon immer und wird es auch in Zukunft noch geben. Holzkonstruktion seien, wenn man die Anzahl eingestürzter Holzbauten analysiert, sogar deutlich anfälliger als massive Bauwerke. Global gäbe es mit einer ca. fünffachen Fallhäufigkeit eine signifikant höhere Einsturzgefährdung von Holzbrücken gegenüber Konstruktionen mit anderen Materialien, berichtete Proske und begründet dies vor allem mit der geringeren Robustheit gegen Hochwasser- und Anprallereignisse. Es kann festgehalten werden, dass trotz Einstürzen Bauwerke insgesamt eine der erfolgreichsten Schutzmassnahmen in der Geschichte der Menschheit darstellen.
Robuste Tragwerke
Der Robustheit und damit der Sicherheit von Bauwerken widmeten sich später am Tag auch die Referenten Pedro Palma (Forscher an der Empa) und Katharina Sroka (Doktorandin an der ETHZ und Empa). In einem von vier Wahlvorträgen berichteten sie als Co-Referenten von ihren Forschungsversuchen und -ergebnissen. «Wichtig zu wissen ist, dass das Tragwerkskonzept entscheidend ist», betonte Palma und gab die Devise aus: «Robustheit kommt vor Tragsicherheit!» Zuerst gehe es immer um die Fähigkeit eines Tragwerks (und seiner Bauteile), Schädigungen und ein mögliches Versagen auf Ausmasse zu begrenzen, die in einem vertretbaren Verhältnis zur Ursache stehen. Es folgte eine kleine «Horrorshow», wie Palma die Bilder von Schadensereignissen an Bauwerken nach Tragwerksversagen selbst nannte: unter anderem ein Gebäudeeinsturz nach Schäden im Keller, eine kollabierte Brücke, auf die eine benachbarte Holzkonstruktion gestürzt war und diese zerstörte, und eine eingestürzte Gebäudeecke nach einer Explosion in einer Küche in der 18. Etage. «Die Folgen von Versagen sind nicht immer auf das Bauwerk begrenzt, sie können weitergehend sein», so Palma. «Unverhältnismässiges Versagen ist ein Prozess, der mit einer Gefahr beginnt.» Die Ursache sind Anfangsschäden und diese gelte es zu begrenzen. Wenn ein verbleibendes System nach einem Schadensfall instabil wird, steige bei komplexen Systemen die Gefahr unvorhersehbarer Szenarien. Palma: «Mit Robustheit bezeichnen wir die Unempfindlichkeit gegen unvorhersehbare Schäden mit den Folgen des unverhältnismässigen Versagens.» Am Beispiel der beiden Holzhybridhochhäuser HoHo Wien und H1 auf dem Zwhatt-Areal in Regensdorf bei Zürich erklärte Katharina Sroka, welche Präventionsmassnamen dort konkret ergriffen wurden, um einen systematischen und strukturieren Ansatz für eine hohe Robustheit dieser Gebäude zu finden. Konkrete Massnahmen für die Begrenzung von Schadensausbreitung sind unter anderem die Holzfeuchtekontrolle sowie Zugverankerungen und ein alternativer Lastpfad, der bei einem Stützenausfall zum Tragen kommen kann. Die Referentin legten dem Auditorium ebenfalls das Lignatec-Dokument 37/2024 nahe, um das Thema vertieft zu betrachten.
Projekte im Wettbewerb
Im zweiten Vortragsblock des Tages standen vier Architekten/Ingenieurinnen-Duos mit aussergewöhnlichen Bauprojekten in Wettbewerb, die nicht nur deswegen nachhaltig sind, weil sie mit Holz realisiert werden und wurden, sondern auch darüber hinaus einen grossen Wert auf Ressourcenschonung, Rezyklierbarkeit und die Verwendung natürlicher Materialen legen. Ein zehnstöckiges Gebäude mitten in Genf stellten Rémy Odiet (Schaer Holzbau AG) und Hugues Thiébaut (Jaccaud+Associés) vor. Was zunächst als Massivbau mit vorfabrizierten Betonteilen geplant war, konnte kurz vor Baueinreichung noch als Holzbau neu geplant werden. Bei der Grösse des Gebäudes ging es für die Holzbauingenieure vor allem darum, die Vielzahl der baulichen Details zu reduzieren, damit die Montage so schnell und einfach wie möglich durchführbar wurde.
Das Projekt «Boulodrome de Renens» – für Petanquespiele in einem Park errichtet – fokussierte vor allem auf die Wiederverwendung von Bauteilen. Auch hier war zunächst in Beton geplant worden, bevor die Entscheidung für einen Holzbau fiel, wie Clara Barreau (Société Coopérative 2401) und Anna MacIver-Ek (MacIver-Ek Chevroulet) erläuterten. Und wie es der Zufall wollte, wurde gerade in der Nähe eine Betonstruktur rückgebaut, deren Wände nun als Stützen für die darüber – fast schwebend wirkende – Holzgitterstruktur dienen. «Wir hatten die Idee, dass es so aussehen sollte, als wenn der Steinkreis von Stonehenge einen leichten Holzaufsatz trägt», so Anna MacIver-Ek. «Wir haben mit unserem Lowtech-Ansatz etwas gemacht, dass man auch zuhause in seiner Garage basteln könnte», ergänzt Clara Barreau, «aber es wird trotzdem ein wunderschönes Gebäude sein.»
Um eine städtische Verdichtung durch Aufstockung in Zürich ging es bei dem Projekt, das Klara Jörg (Baubüro in situ) und Simon Schubiger (B3 Kolb AG) vorstellten. Das Bestandsgebäude, eine grosse Werkhalle in Massivbauweise, wurde mit einem Holz-Sheddach um eineinhalb Stockwerke (Atelierräume mit Galerien) nach oben erweitert. «Dabei ging es stets auch um die Verhältnismässigkeit der Kosten», erklärte Klara Jörg. «Die Holzbinder des vorhandenen Dachtragwerks hatten an den Enden Wasser gezogen und wiesen bereits Delaminierungen auf», so Simon Schubiger. Daraus resultierte für die Aufstockung ein Tragwerksentwurf mit einem Holzfachwerk, dass die Kraft direkt mit Druckdiagonalen in die Gebäudemitte hin zu den tragfähigen Fundationen leitet. So konnten die vorhandenen Binder weiterverwendet und die aussenliegenden Fundamente entlastet werden. Das Sheddach mit seinen nach Norden ausgerichteten Fenstern erhielt PV-Anlagen, das Fensterglas stammte aus einer B-Produktion und konnte durch Neurahmung noch verwendet werden. Ein Glücksfall war auch der Zufallsfund von 1000 Quadratmetern blauem Trapezblech auf einer Onlineverkaufsplattform. Dieses dient jetzt als markante Fassade. Ausserdem punktet der Bau mit Stroh-Lehmbau-Aussenwänden.
Drei Projekte, die jedes für sich beeindruckten, doch das Votum des Auditoriums fiel am Ende des Vortragblocks für Projekt Nummer vier: ein zeitgenössischer Holzbau mit Reetdach. Der österreichische Architekt Gilbert Berthold, der in der Schweiz zuhause ist, plante für seinen Freund und Schilfdachdecker Jacobus van Hoorne ein privates Wohnhaus im österreichischen Burgenland. Bauherr van Hoorne, zunächst als Teilchenphysiker am Cern in Genf tätig, übernahm später doch den Familienbetrieb als Schilfdachdecker. Deshalb stand die Verwendung von Schilf für das Dach ausser Frage. «Schilf ist ein Musterbeispiel für einen nachhaltigen Rohstoff», betonte Gilbert Berthold. «Es leistet bereits als Pflanze einen ökologischen Beitrag, bietet als Baustoff sehr gute Dämmwerte und hat richtig verbaut eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten. Und am Ende ist es sortenrein trennbar und kompostierbar.» Auch der Holzbau selbst überzeugte die Teilnehmenden des Holzbaukongresses mit seinen nachhaltigen und architektonischen Details.
Kompakter Wissenstransfer
Neben weiteren Vorträgen zu den Schweizerischen Brandschutzvorschriften 2026 von Isabel Engels (Berner Fachhochschule) und Reinhard Wiederkehr (Makiol Wiederkehr AG), zum nachhaltigen Bauen mit Holz, Lehm und Naturbaustoffen in Hybridsystemen von Thomas Wehrle (Erne AG) und zur SIA 390/1 von Daniel Kellenberger bot der Holzbautag auch einen Austausch mit Prof. Ronny Standtke und Paco Mähli (Berner Fachhochschule) zu künstlicher Intelligenz im Holzbau. Der kompakte Wissenstransfer des Tages gipfelte – ebenfalls dem Tagungskonzept der Co-Referate folgend – in vier weitere Projektvorstellungen: Das Klanghaus im Toggenburg stellten Matthias Ruf (Staufer & Hasler Architekten AG) und Stefan Bischoff (Blumer-Lehmann AG) als ausserordentlich anspruchsvolles Bauprojekt vor. Mit Laurent Saurer (Localarchitecture) und Jonathan Krebs (Ingphi SA) ging es bildlich nach Nyon auf die Baustelle des multifunktionalen Sportzentrums Colovray. David Häring (Häring Timber Technology AG) und Matthias Spalinger (Holzprojekt AG) nahmen ihre Zuhörerschaft mit in die Niederlande, wo sie an einer umfassenden Gebäudeerweiterung und Neubauten für die Bank ABN Amro arbeiten und Nicolas Barthès sowie Xavier Géant (beide Studio Lada) präsentierten schliesslich innovative Holzbauten in Frankreich, bevor die Moderatoren Cornelius Oesterlee und Stanislas Zimmermann die Tagungsteilnehmenden in den Apéro und Feierabend verabschiedeten.
Save The Date 2026
Der 19. Holzbautag Biel wird am 10. September 2026 durchgeführt.
Weitere Informationen: bfh.ch/ahb/holzbautag (ab Oktober 2025)
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