Ein ungeliebt-geliebtes Objekt: der Aarberger Schrank

19.04.2022 Es gibt vermutlich kaum ein Objekt am Fachbereich Konservierung und Restaurierung, welches so lang vor Ort war, welches so viele Studierende eingebunden hat und über das so viel diskutiert worden ist.

Es sagt auf jeden Fall etwas darüber aus, das der Aarberger Schrank (um 1700) aus dem Aarbergerhus in Ligerz (Schweiz) alles andere als ein leicht zu verstehendes Objekt war:
 

Da wären zum einen die Darstellungen auf den Türfeldern. Die sieben kanonischen Tugenden setzen sich aus den vier platonischen Kardinalstugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mässigung und den drei göttlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung zusammen. Nun hat der Schrank aber vier Falttüren also insgesamt acht Darstellungen. So steht ikonografisch für die Geduld «Patientia» noch als zusätzliche Tugend auf einem der Türfelder.

Der Schrank scheint zudem ein Einzelstück zu sein. Kein vergleichbares Objekt wurde im Laufe der Zeit gefunden. Auch die Funktion des Schrankes konnte nicht abschliessend geklärt werden. Für Geschirr, für Wäsche oder auch für die Aufbewahrung von Fahnen, das Spektrum der Vorschläge war gross, zumal die komplizierte Konstruktion der zweiteiligen faltbaren Flügeltüren hier viel Raum für Spekulationen liess. Allerdings beschränkte die vergleichsweise geringe Tiefe des Schrankes von 31 bzw. 29 cm die Auswahl der Vorschläge.

Und auch der fehlende Sockelbereich hat zum Teil zu kontroversen Diskussionen geführt. Der Schrank wurde anscheinend nach Befunduntersuchungen mehrmals konstruktiv verändert, dazu gehört auch der nicht mehr vorhandene Sockel. Ohne Sockel war ein wieder Aufstellen des Schrankes aber nicht möglich also wurden diverse Lösungen erwogen. Diskutiert wurde hier in grosser Runde, transdisziplinär. Kunsthistorikerinnen des Fachbereichs, Konservator*innen und Restaurator*innen, Studierende, Holzfachleute aber auch Dr. Jürg Schweizer, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Bern, und die zukünftigen Nutzer*innen waren involviert.

Die Diskussion nahm im Verlauf interessante Wege und am Ende wurde eine kühne metallische, sichtbare Unterkonstruktion als Lösung gewählt, die auch bei modernen Einbauküchen zum Einsatz kommt. Natürlich alles reversibel.

Am 20. Januar 2022 verliess nun der Aarberger Schrank nach 18 Jahren den Fachbereich Konservierung und Restaurierung der HKB und wird wahrscheinlich ein grösseres «Loch» hinterlassen. Grosser Dank gilt allen Beteiligten, die in irgendeiner Weise im Verlauf der Zeit in das Projekt involviert waren.