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«Nun ist es wichtig, gemeinsame Ziele zu definieren»

13.05.2025 Petra Keller Guéguen leitet den Stab des Bundesamtes für Statistik und hat an der TRANSFORM 2025 zum Thema «Gemeinsam stark für die Daten-Governance: Erfolge würdigen, Herausforderungen meistern» referiert. Wir sprechen mit ihr über ihre Faszination für Daten, ihre tägliche Arbeit und ihre Auffassung einer gelungenen Datenpolitik und Daten-Governance.

Das Wichtigste in Kürze

  • Petra Keller Guéguen ist Leiterin Stab beim Bundesamt für Statistik. An der TRANSFORM 2025 hat sie ein Referat zum Thema Daten-Governance gehalten.

  • Im Interview schildert Petra Keller Guéguen ihre Arbeit beim BFS und was sie von der TRANSFORM mitnimmt.

  • Sie spricht ausserdem über gelungene Daten-Governance, über den Mehrwert von sichtbar gemachten Daten, aber auch über Datenlücken und den Umgang mit Rückschlägen.

Petra Keller Guéguen, Sie sind seit 23 Jahren beim Bundesamt für Statistik (BFS).  Was sehen Sie als die grösste Herausforderung in dieser Zeit?

Eine der grössten Herausforderungen, wenn man im Daten- und Statistikbereich arbeitet, ist, dass man nur gemeinsam zu einem spürbaren Nutzen kommt. Das bedeutet: Alle Beteiligten müssen mitziehen und beispielsweise ihre Daten nach einem gemeinsamen Standard harmonisieren, damit echte Effizienzgewinne möglich werden – etwa indem dieselben Daten mehrfach genutzt statt immer wieder neu erhoben werden.

In der Theorie ist das leicht nachvollziehbar. In der Praxis jedoch steht unser föderales System diesem Ideal entgegen: Jede Einheit schaut zunächst auf sich selbst. Erschwerend kommt hinzu, dass der Nutzen oft nicht dort anfällt, wo die aufwändige Vorarbeit – etwa die Datenharmonisierung – geleistet wird, sondern bei einer anderen Stelle. In Zeiten knapper Ressourcen fehlt so der Anreiz für einzelne Verwaltungseinheiten, in solche kooperativen Vorleistungen zu investieren. Denn sie denken aus ihrer eigenen Perspektive – nicht für den gesamten Bund oder die öffentliche Verwaltung als Ganzes.

Petra Keller Guéguen

Petra Keller Guéguen

Petra Keller Guéguen ist Leiterin des Stabs beim Bundesamt für Statistik (BFS). Sie verantwortet die strategische Ausrichtung des Amtes, koordiniert nationale und internationale Angelegenheiten, begleitet politische Dossiers und wirkt an der Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen mit.

Nach ihrem Soziologiestudium an der Universität Zürich begann sie 2002 beim BFS in der Sozialhilfestatistik (Asyl- und Flüchtlingsbereich). Es folgten leitende Funktionen im Projektmanagement und in der Sektion Direktionsgeschäfte. 2017 wurde sie stellvertretende Leiterin der neu geschaffenen Sektion Strategie und Stab, wo sie die strategischen Planungsprozesse mitentwickelte und die Geschäftsleitung unterstützte. Im Juli 2020 ernannte sie Bundesrat Alain Berset zur Leiterin der Abteilung Stab.

Petra Keller Guéguen im Interview
Petra Keller Guéguen im Interview (Foto: Michael Eggen Photography)

Sie sind studierte Soziologin mit Spezialisierung auf Migration. Wie beeinflusst Ihr Werdegang Ihre tägliche Arbeit und Ihre Einstellung zu Daten?

Die Soziologie arbeitet sehr datenbasiert – und genau deshalb lernt man schnell, wie zentral qualitativ hochwertige Daten sind. Das erklärt auch, warum etwa die Daten des Bundesamts für Statistik in der Forschung so geschätzt werden. Gleichzeitig wird einem früh bewusst, dass Daten nie ein Selbstzweck sind. Sie dienen als Grundlage, um kontextualisierte Informationen über unsere Gesellschaft zu gewinnen – und darüber hinaus auch über Wirtschaft, Wissenschaft oder Umwelt.

Ein weiterer spannender Aspekt ist, dass die Soziologie oft mit induktiven Methoden arbeitet. Das heisst: Man geht nicht zwingend mit einer fixen Hypothese an die Daten heran, sondern ist offen dafür, Muster und Zusammenhänge im Material zu entdecken.

Gerade in Kombination mit neuen datenwissenschaftlichen Methoden eröffnen sich hier neue Möglichkeiten. Besonders faszinierend finde ich, dass man mit modernen Analysetools aus bereits vorhandenen Daten zusätzliche Informationen herauslesen kann – und so einen mehrfachen Nutzen aus denselben Daten schafft.

Nur wenn Zuständigkeiten, Regeln und Prozesse transparent geregelt sind, lässt sich das Potenzial von Daten wirklich ausschöpfen.

  • Petra Keller Guéguen Leiterin Stab Bundesamt für Statistik

Was verstehen Sie konkret unter einer gelungenen Daten-Governance?

Eine gelungene Daten-Governance definiert klar, wer welche Daten zu welchem Zweck erheben, verwalten und nutzen darf. Sie schafft verlässliche Rahmenbedingungen, damit Daten sicher, verantwortungsvoll und gesetzeskonform eingesetzt werden können – und dabei echten Mehrwert für Verwaltung und Gesellschaft stiften. Weil: Nur wenn Zuständigkeiten, Regeln und Prozesse transparent geregelt sind, lässt sich das Potenzial von Daten wirklich ausschöpfen.

Können Sie uns anhand eines konkreten Beispiels Einblick geben in Ihre tägliche Arbeit?

Gerne! Ein Beispiel, wie wir den transparenten Zugang zu offenen und relevanten Verwaltungsdaten fördern, ist mit der Geschäftsstelle Open Government Data, die im Stab des BFS angesiedelt ist. Wir unterstützen Datenlieferanten konkret bei der Publikation ihrer Daten und schauen, dass Datennutzende die Daten einfach auffinden und verwenden können. Dazu betreiben wir das Portal opendata.swiss, welches einen freien und offenen Zugang zu Datensätzen bietet und so zur Förderung von Innovation und Bürgerbeteiligung in der ganzen Schweiz beiträgt.

Am 6. Mai 2025 haben Sie an der TRANSFORM Ihre Erfahrungen und Ihr Wissen mit einer breiten Zuhörerschaft geteilt. In früheren Jahren haben Sie selbst im Publikum gesessen. Was gefällt Ihnen persönlich am Format TRANSFORM?

Die TRANSFORM ist für mich die ideale Kombination aus inspirierenden Inputs und aktivem Austausch. Besonders schätze ich, dass die Referierenden sehr vielfältig ausgewählt werden – sie kommen aus Gemeinden, Kantonen und vom Bund, oft direkt aus der Praxis, sei es auf strategischer oder operativer Ebene. Das sorgt für Bodenhaftung und Relevanz. Gleichzeitig bietet die Veranstaltung eine hervorragende Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen und andere Perspektiven kennenzulernen. Besonders wertvoll ist für mich der direkte Austausch mit Personen, die unsere Produkte und Dienstleistungen nutzen – ihre Rückmeldungen sind enorm hilfreich, um Verbesserungen anzustossen und wirklich bedarfsgerechte Lösungen zu entwickeln.

Petra Keller Guéguen an der TRANSFORM 2025
Petra Keller Guéguen an der TRANSFORM 2025 (Foto: Michael Eggen Photography)

Bundeskanzler Viktor Rossi hat in seinem Einstiegsreferat an der TRANSFORM an die öffentliche Verwaltung appelliert, dass Investitionen nur einmal getätigt und danach über alle Ebenen des Föderalismus hinweg nutzbar gemacht werden sollen. Wie kann dies Ihrer Meinung nach gelingen?

Wie ich in meinem Referat betont habe, ist es nun wichtig, dass wir gemeinsame Ziele definieren. Dass wir uns einigen darauf, was wir bis wann im Bund und dann in den Kantonen erreichen wollen. Wenn wir dieses Ziel in einer Datenstrategie für die gesamte öffentliche Verwaltung definiert haben, dann braucht es dazu einen klaren Umsetzungsplan mit klar definierten Massnahmen. Danach kann man die knappen Ressourcen auf diese Ziele verwenden. Es bestehen bereits gute übergreifende Gremien, die besprechen können, wie sie diese Massnahmen genau umsetzen wollen. So gäbe es eine Investition für die gesamte Bundesverwaltung oder für die gesamte öffentliche Verwaltung. Damit die Kantone mitziehen ist es wichtig, die Vorteile einer solchen Zusammenarbeit gut zu erklären.

Bei Ihrem Referat an der TRANSFORM hat das Publikum von Ihnen wissen wollen, ob und wie Sie vom BFS den beteiligten Institutionen aufzeigen können, dass es sich rechnet, Daten so abzulegen und aufzubereiten, dass sie später von anderen genutzt werden können.

Die Einsparungen oder den Effizienzgewinn aufzuzeigen ist tatsächlich nicht so einfach. Wie vorhin gesagt, liegt das unter anderem daran, dass Effizienzgewinne meist nicht an der Stelle anfallen, an welcher der Aufwand entsteht, sondern bei einer anderen Institution, welche die Daten nutzen kann. Man müsste über den gesamten Bund oder einen gesamten Datenraum schauen, um herauszufinden, wo zum Beispiel Doppelerhebungen wegfallen. Wir versuchen deshalb die Effizienzgewinne an kleinen, konkreten Usecases aufzuzeigen.

Weiter versuchen wir vom BFS vor allem darzulegen, warum die Daten sichtbar gemacht werden sollen auf unseren Metadatenplattformen opendata.swiss und der Interoperabilitätsplattform I14Y. Damit man in einem ersten Schritt nachschauen gehen kann, welche Daten es bereits gibt, sodass man sie nicht ein weiteres Mal erhebt. Anschliessend kann man in einem zweiten Schritt schauen, ob man die gesetzlichen Grundlagen hat, um diese Daten zu beziehen.

In der anschliessenden Podiumsdiskussion haben Sie als aktuelles Beispiel die Ablehnung von zwei Motionen durch den Nationalrat erwähnt, welche dem BFS erlaubt hätten, Steuerdaten der Kantone zu nutzen. «Wir haben es offenbar nicht geschafft, den Politiker*innen darzulegen, dass wir auch mit heiklen  Daten korrekt umzugehen wissen», haben Sie den Misserfolg kommentiert. Wie gehen Sie mit solchen Rückschlägen um? Was muss künftig anders gemacht werden?

Im ersten Moment ist man natürlich immer etwas enttäuscht. Das ist ein Projekt, das sechs, fast sieben Jahre gedauert hat. Wir sind überzeugt, dass wir den Mehrwert dieser Daten ganz klar hervorgehoben haben. Aber offensichtlich ist es nicht der Wunsch des Parlaments, mit dem muss man leben. Was wir in Zukunft anders machen in diesem konkreten Fall ist, dass wir eine klare gesetzliche Grundlage für die Erhebung dieser Daten erarbeiten werden. Das ist auch der Wunsch des Parlaments, dass wir nicht nur auf Verordnungsstufe, sondern auf Gesetzesstufe ein klares Mandat haben für die Erhebung dieser sensiblen Daten. Schade ist, dass das jetzt weitere vier bis fünf Jahre gehen wird und wir während dieser Zeit keine Möglichkeit haben, auf diese Daten zuzugreifen, was natürlich weiterhin Datenlücken generiert.

Können Sie ein Beispiel geben für die Auswirkungen solcher Datenlücken?

Es gibt Erhebungen, die wir deutlich qualitativ verbessern könnten, wenn wir die Steuerdaten hätten. Das Armutsmonitoring zum Beispiel kann ohne detaillierte Steuerdaten nur sehr lückenhaft umgesetzt werden. Daneben gibt es diverse Prognosen, die der Bund nicht berechnen kann. Ein bekanntes Beispiel ist die Abstimmung über die Heiratsstrafe. Hier war es dem Bund nicht möglich, die korrekte Auswirkung dieser Abstimmung aufzuzeigen, weil dazu einfach die Datengrundlage fehlte.

Was haben Sie für sich persönlich aus der TRANSFORM 2025 mitgenommen?

Was mich fasziniert hat, ist das Referat von Esther-Mirjam de Boer zu KI, vor allem ihre Ausführungen über die Möglichkeit, die Zukunft mit KI zu simulieren und damit die Planung und Steuerung von vielen Dingen möglich zu machen. Das hat mich darin bestärkt, dass KI unbedingt mit qualitativ guten Daten gefüttert werden muss, damit die Ergebnisse eine hohe Qualität haben. Es motiviert mich, weiterhin an der Datenqualität zu arbeiten und die Leute davon zu überzeugen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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