- Story
«Wir brauchen Zukunftslust»
02.09.2025 Nachhaltige Transformation ist wichtig für die Gesellschaft und für die BFH. Die zwei Nachhaltigkeitsexpert*innen Nicola Blum und Manuel Fischer erklären, warum das Thema drängt.
Das Wichtigste in Kürze
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Nachhaltige Transformation meint ein Umdenken und tiefergreifende Veränderung der Gesellschaft.
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Ziel ist es, zukunftsfähige Lösungen für ökologische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen zu schaffen.
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Hochschulen begleiten Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in diesem Prozess.
- Dieser Artikel ist Teil einer Serie der Berner Fachhochschule, die ihre Expertise zum Thema Nachhaltige Transformation beleuchtet.
Nachhaltige Transformation – was ist das eigentlich genau?
Nicola Blum: Nachhaltige Transformation meint einen Wandel der Gesellschaft, der Wirtschaft und Politik in Richtung mehr sozialer und Umwelt-Nachhaltigkeit.
Manuel Fischer: Genau. Es geht um einen gesellschaftlichen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit. Dabei ist aber nicht nur ein Wandel im System das Ziel, sondern auch ein tiefgreifender Wandel des Systems selbst, der sich auf mehreren Ebenen vollzieht.
Sustainability Science Forum
Die BFH ist Host des Sustainability Science Forum 2025. Das Sustainability Science Forum ist ein Treffpunkt und Diskussionsraum für eine Zukunftsgestaltung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung und richtet sich an Menschen aus Wissenschaft, Politik/Verwaltung, Wirtschaft, Kunst & Kultur, Zivilgesellschaft usw. Es findet am 26.11.2025 in Bern zum Thema «Einen gerechten Wandel hin zur Netto-Null-Gesellschaft gestalten» statt.
Warum braucht die Gesellschaft eine nachhaltige Transformation?
Nicola Blum: Wir brauchen eine nachhaltige Transformation, um Antworten auf die grossen Herausforderungen unserer Zeit zu finden: Klimawandel, Umweltverschmutzungen, Rückgang der Biodiversität, demografischer Wandel in Europa …
Manuel Fischer: Unser aktuelle Wirtschafts- und Lebensweise überschreiten die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten bei Weitem und gefährden damit unsere Lebensgrundlage. Gleichzeitig verschärfen sie auch die sozialen Ungleichheiten. Wir brauchen also dringend neue Denkweisen, Narrative, Vorbilder und Verhaltensmuster, aber auch soziale und technische Innovationen.
Es wird einen Blumenstrauss an Massnahmen brauchen.
Wo steht die nachhaltige Transformation heute?
Manuel Fischer: Wenn man die globalen Nachhaltigkeitsziele der UNO als Gradmesser nimmt, kann man konstatieren, dass kein Land der Welt auf Kurs ist, die Ziele zu erreichen. Ohne grundlegende Veränderungen werden wir wohl die Mehrheit der UNO-Ziele nicht bis 2030 erreichen.
In der Schweiz haben wir in Bezug auf diese Ziele sogar Rückschritte gemacht und sind mittlerweile wieder auf dem Stand von 2018.
BFH-Tag 2025: Schöne neue Welt – wann und wie werden wir nachhaltiger?
11.11.2025, 17.00–19.00 Uhr – Eventfabrik, Fabrikstrasse 12, 3012 Bern
Handelskonflikte, Rohstoffknappheit, Kriegsgefahr – hierzulande längst vergangen geglaubte Sorgen setzen unsere Gesellschaft unter Druck. Dadurch werden Themen wie Umweltschutz und Klimawandel immer stärker aus den Schlagzeilen verdrängt. Doch haben diese Herausforderungen nichts von ihrer Dringlichkeit verloren.
Doch wie gestalten wir die Transformation in eine nachhaltige Zukunft? Was sind die grössten Herausforderungen und wie gewinnen wir die Menschen für den Wandel auch dort, wo es sie schmerzt?
Diese und weitere Fragen diskutieren wir am BFH-Tag 2025 mit Expert*innen aus Praxis und Wissenschaft. Freuen Sie sich auf nachhaltige Einsichten und neue Ideen für Ihre eigene Tätigkeit.
Was wäre denn zu tun bezüglich nachhaltiger Transformation?
Nicola Blum: Wir müssen Neues ausprobieren, neue Wege in der Wirtschaft gehen, Neues in der Politik wagen und als Gesellschaft neue Arten des Zusammenlebens erproben: Dabei denke ich auch an die Versorgung und Integration einer alternden Bevölkerung mit überlasteten Familien oder gemeinschaftliche Lebensmittelproduktion … Es wird einen Blumenstrauss an Massnahmen brauchen.
Manuel Fischer: Ganz wichtig ist auch, dass wir wieder ein ganzheitlicheres Verständnis oder eine systemische Perspektive auf unsere Welt in all ihrer Komplexität entwickeln. Wir können uns Silodenken in Hochschulen und der Verwaltung schlicht nicht mehr erlauben. Und selbstverständlich brauchen wir auch neue Technologien, z.B. für alternative Energien und die Verminderung von Treibhausgas-Emissionen.
Mit weniger materiellem Konsum wären wir glücklicher und zufriedener.
Welche Haltung kann uns helfen, angesichts der scheinbar unüberwindbaren Herausforderungen?
Nicola Blum: Gelassenheit und Neugierde. Aber auch Freude an der Veränderung und am Ausprobieren von Neuem. Es kann durchaus spannend sein, wenn man sich auf Neues einlässt und neue Erfahrungen macht. Warum nicht mit dem Zug in die Ferien nach Italien fahren und auf dem Weg Mailand erkunden? Oder zusammen mit der Nachbarschaft einen Schrebergarten betreiben oder ein Auto teilen?
Manuel Fischer: Aus meiner Sicht brauchen wir dringend wieder eine Art Zukunftslust. Wir müssen wieder Freude am Engagement, am Ausprobieren und Gestalten entwickeln und an die Wirksamkeit unseres Handelns glauben. Beunruhigung ist angesichts der Lage völlig berechtigt. Wir dürfen uns aber nicht davon lähmen lassen.
Immer wieder fällt das Stichwort Suffizienz: Wie bekommen wir Menschen dazu, weniger zu konsumieren?
Nicola Blum: Vielleicht besteht ein Teil der Lösung darin, eine Verschiebung vom Konsum von Produkten hin zu Dienstleistungen anzustreben, beispielsweise Mobility anstatt ein eigenes Auto; ein Kleider-Teilabo anstatt immer neue Kleidung zu kaufen; eine Wohnung zu mieten statt ein eigenes Haus zu besitzen. Dies hat oft auch positive Nebeneffekte. So sparen Kund*innen Zeit, verringern ihren Mental Load und können immer mal wieder etwas Aktuelleres nutzen, z.B. ein neues Auto.
Manuel Fischer: Es gibt eindeutige Resultate aus der Glücksforschung und den Wirtschaftswissenschaften, dass wir mit weniger materiellem Konsum glücklicher und zufriedener wären. Gleichzeitig beobachten wir, dass immer mehr innovative, nachhaltige Angebote entstehen und immer mehr Menschen bewusster konsumieren. Wenn diese Menschen eine gewisse Masse erreichen, gelangen wir zu einem Kipppunkt und Suffizienz ist plötzlich in.
Über die Interviewten
Prof. Dr. Nicola Ursina Blum ist Dozentin für soziale Innovation, Entrepreneurship und Kreislaufwirtschaft an der BFH. Sie studierte Maschinenbau und Management an der ETH Zürich, wo sie auch doktorierte.
Manuel Fischer leitet das strategische Themenfeld Nachhaltige Entwicklung der Berner Fachhochschule. In der Funktion fördert der studierte Geograf, Ökonom und Regionalplaner die Nachhaltigkeit in Forschung, Lehre und Betrieb der BFH.
Wie kann die Wissenschaft; wie kann die BFH zur nachhaltigen Transformation beitragen?
Nicola Blum: Als Hochschule können wir neue Produkte und Dienstleistungen erforschen, technisch und bei der Umsetzung im Markt unterstützen; wir können die Politik informieren zu möglichen (Fehl-)Anreizen und Lösungen einbringen; Start-ups mit neuen Ideen hervorbringen; Studierende darin schulen, kritisch und lösungsorientiert zu denken …
Manuel Fischer: Absolut. Unser grösster Hebel ist die Lehre und Weiterbildung. Aber auch durch gesellschaftsrelevante Forschung, Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen und durch eine aktive, mutige Beteiligung im gesellschaftlichen Dialog können wir die Transformation vorantreiben.