• Story

Wie Kinder essen – BFH beteiligt an nationaler Ernährungserhebung

13.11.2025 Mit der nationalen Erhebung «menuCH-Kids» des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) liegen erstmals repräsentative Daten zur Ernährung von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz vor. Forschende der Berner Fachhochschule (BFH) waren massgeblich an Konzeption, Organisation und Datenerhebung beteiligt. Im Interview geben Klazine van der Horst, Katja Uhlmann und Loan Catalano Einblick in ihre Forschungsarbeit.

Das Wichtigste in Kürze

  • Zum ersten Mal liegen mit der nationalen Erhebung «menuCH-Kids» repräsentative Daten zur Ernährung von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz vor.

  • Die BFH war massgeblich an Konzeption, Organisation und Datenerhebung beteiligt.

  • Die Ergebnisse zeigen: Die Ernährung entspricht mehrheitlich den Empfehlungen, doch sind Früchte- und Gemüsekonsum eher tief, Fleisch- und Snackkonsum hoch und rund 13 % der Kinder übergewichtig.

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat diese Woche über neue Erkenntnisse zur Ernährung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen aus zwei Studien informiert. Bei der erstmals durchgeführten nationalen Erhebung «menuCH-Kids»,  welche insgesamt drei Jahre dauerte, waren unter anderen die Forscherinnen Klazine van der Horst, Katja Uhlmann und Loan Catalano vom Fachbereich Ernährung und Diätetik der BFH massgeblich involviert. Im Interview berichten sie über ihre Arbeit zwischen Esstagebüchern, Softwareanpassungen und einfühlsamer Kommunikation mit Kindern. 

Befragen eines Kindes zum Essverhalten.

Wie war die BFH an der Studie «menuCH-Kids» beteiligt? 

Unser Forschungsteam war von Anfang an involviert: von der Konzeption über die Organisation bis hin zur Koordination mit den Studienzentren. Wir unterstützten unter anderem bei der Organisation und Durchführung der Schulung der Ernährungsberater*innen und Pflegefachpersonen, die später die Datenerhebung durchführten, und halfen bei der Erstellung des Studienberichts. Im Zentrum Bern waren Ernährungsberater*innen der BFH zudem direkt in der Datenerhebung aktiv. 

Gerade bei Kindern ist die Erhebung von Ernährungsdaten anspruchsvoll. Wie lief die Erhebung der Ernährungsdaten ab? 

Kinder unter 14 Jahren wurden von den Eltern bei der Erhebung der Ernährungsdaten unterstützt, teilweise wurden auch Jugendliche über 14 Jahren von den Eltern begleitet. Jede Familie nahm an zwei Befragungen teil: einmal vor Ort im Studienzentrum und zwei Wochen später telefonisch. Mit dem sogenannten 24h-Recall erfragten geschulte Ernährungsberater*innen genau, was Kinder und Jugendliche in den letzten 24 Stunden gegessen und getrunken hatten. Damit sich die Kinder besser erinnern konnten, nutzten wir Esstagebücher, Fotos von Portionsgrössen und typische Haushaltsmassen wie Teller und Tassen – also ganz praktische Hilfsmittel. 
 

«Damit sich die Kinder besser erinnern konnten, nutzten wir Esstagebücher, Fotos von Portionsgrössen und ganz praktische Hilfsmittel wie Teller und Tassen.»

  • Klazine van der Horst Direktorin Departement Gesundheit
Bauchumfang messen bei einem Kind.

Was war besonders herausfordernd bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?  

Die Befragungen nahmen viel Zeit in Anspruch – das war besonders für kleinere Kinder von 6 bis 10 Jahren anspruchsvoll. Hier halfen spielerische Elemente wie Malvorlagen. Jugendliche wiederum waren manchmal wortkarg, da brauchte es Fingerspitzengefühl. Auch die grosse Altersspanne und der Einbezug der Eltern verlangten viel Einfühlungsvermögen von den Ernährungsberater*innen und Pflegefachpersonen.

Wie haben Sie die Vielfalt der Schweizer Esskultur berücksichtigt?

Es war wichtig, die verschiedenen Sprachregionen der Schweiz einzubeziehen, da sich Ernährungsgewohnheiten unterscheiden können. Diese kulturellen und regionalen Unterschiede wurden bereits in der menuCH-Studie bei Erwachsenen beobachtet und entsprechend im Studiendesign berücksichtigt. Die Mehrsprachigkeit stellte gleichzeitig eine Herausforderung bei der Erhebung der Ernährungsdaten dar, da die Lebensmittel in der Software GloboDiet sowohl auf Deutsch, Französisch und Italienisch hinterlegt sein mussten. Nach der Pilotphase wurde die Software mit häufig konsumierten Produkten ergänzt, beispielsweise Maispops oder Studentenfutter. Diese Erweiterung war wichtig, um die Qualität der Datenerhebung zu gewährleisten.
 

«Die Mehrsprachigkeit war eine Herausforderung – jedes Lebensmittel musste in der Software auf Deutsch, Französisch und Italienisch hinterlegt sein.»

  • Katja Uhlmann wissenschaftliche Mitarbeiterin aF&E Ernährung und Diätetik, Departement Gesundheit

Infobox: Ernährung bei Kindern und Jugendlichen in der Schweiz

  • Die Ernährung von Kindern und Jugendlichen entspricht mehrheitlich den Empfehlungen für Hauptnährstoffe. 
  • Kohlenhydrate und Ballaststoffe: im empfohlenen Bereich.
  • Proteinaufnahme: insgesamt hoch, besonders bei männlichen Jugendlichen.
  • Fettzufuhr: an der oberen Grenze der empfohlenen Werte – bei beiden Geschlechtern.
  • Früchte- und Gemüsekonsum: gering 
  • Fleischkonsum: im Durchschnitt  hoch.
  • Snacks und Süssgetränke: häufig und in beachtlichen Mengen konsumiert.
  • Übergewicht: rund 13 % der 6- bis 17-Jährigen sind übergewichtig oder fettleibig.
  • Erhöhtes Diabetesrisiko: bei etwa 10 %  der Kinder messbar.
  • Vegetarisch / vegane Ernährung: 4,4 % ernähren sich vegetarisch, 1 % vegan. 

 

Ergebnisse der «menuCH-Kids-Studie», BLV, 2025  

Gewicht messen eines Kindes.

Wie wurde sichergestellt, dass die Studie repräsentativ ist?

Die Teilnehmenden wurden zufällig über einen Stichprobenrahmen des Bundesamts für Statistik ausgewählt. Sie lebten maximal 30 Kilometer vom Studienzentrum entfernt. Die Teilnahme an der Studie erfolgte freiwillig. Um mögliche dadurch entstandene Verzerrungen auszugleichen, erfolgte eine statistische Gewichtung. Um saisonale Einflüsse auf die Ernährungsgewohnheiten berücksichtigen zu können, haben wir Daten über ein ganzes Jahr hinweg gesammelt.

Welche Ergebnisse haben Sie inhaltlich am meisten überrascht oder vielleicht auch Ihren Erwartungen widersprochen? 

Es ist eine sehr positive Erkenntnis, dass die Ernährung der meisten Kinder ausreichend Energie liefert, das Frühstück nach wie vor üblich ist und die Risikofaktoren für chronische Krankheiten im Vergleich zu anderen Ländern relativ gering sind. Auf der anderen Seite sind etwa 13 Prozent der Kinder übergewichtig, was Anlass zur Sorge gibt. Interessant ist auch, dass sich trotz des starken Trends zu vegetarischer und veganer Ernährung nur eine Minderheit der Kinder vegetarisch (4,4 Prozent) oder vegan (1 Prozent) ernährt.

«Es ist erfreulich, dass das Frühstück nach wie vor üblich ist – aber 13 Prozent übergewichtige Kinder zeigen, dass Handlungsbedarf besteht.»

  • Loan Catalano wissenschaftliche Assistentin aF&E Ernährung und Diätetik, Departement Gesundheit

Bei dieser Altersgruppe sind es ja oft noch die erziehungsberechtigten Personen, welche die Ernährung massgeblich beeinflussen oder steuern. Ist das nun bedenklich oder wie schätzen Sie das ein?

Die Ergebnisse zeigen einen Handlungsbedarf und decken sich teilweise mit den Ergebnissen aus der Ernährungserhebung «menuCH» bei Erwachsenen z.B. einen höheren Konsum an süssen und salzigen Snacks, hoher Fleisch- und Fettkonsum. Die Ernährung der Eltern ist ein wichtiger Einflussfaktor, jedoch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass auch die Verpflegung in Institutionen wie Kindertagesstätten, Horten oder Mittagstischen sowie der Einfluss von Gleichaltrigen insbesondere im Jugendalter eine bedeutende Rolle spielen.

Dank der Studie liegen zum ersten Mal repräsentative Daten zur Ernährung von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz vor. Was bedeutet das für Forschung und Praxis?

Die Daten bilden eine wichtige Grundlage, beispielsweise für die Entwicklung von Ernährungsempfehlungen oder Präventionsmassnahmen, welche altersgerecht und auf Kinder und Jugendliche in der Schweiz zugeschnitten sind. Es können nun weitere Fragestellungen untersucht werden, beispielsweise verschiedene Ernährungsmuster und damit in Verbindung stehende Faktoren wie der sozioökonomische Status oder die Sprachregionen. Die Berner Fachhochschule ist gemeinsam mit weiteren Institutionen am Forschungsprojekt «Gender concepts and Nutrition In childhood (GeNI)» beteiligt, welches geschlechterspezifische Unterschiede in der Ernährung untersucht und hierfür unter anderem die Daten der menuCH-Kids Studie verwenden wird.  
 

Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung bei Kindern

Wichtige Grundsätze:

Regelmässige und abwechslungsreiche Mahlzeiten, Gemüse und Früchte bei jeder Haupt- und Zwischenmahlzeit, Wasser als Hauptgetränk, bewusster Umgang mit Süssigkeiten und Snacks

Ernährungsscheibe:

Für Kinder zwischen 4 und 12 Jahren bietet die Ernährungsscheibe der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) praktische Orientierungshilfe.

Fourchette Verte:

Kinder, welche in Institutionen wie Kita, Hort oder Mittagstisch essen, sollten idealerweise in Einrichtungen mit dem Label «fourchette verte» verpflegt werden
 

Mehr erfahren