Ein Bachelor in Fine Arts, und dann?

31.05.2023 Was macht man eigentlich nach einem Studium in Fine Arts? Die Künstlerin und HKB-Alumna Karen Moser beantwortet Fragen, die so oder ähnlich von Schüler*innen gestellt wurden.

Portrait von Julian Koechlin. Er ist mittig abgebildet und blickt nachdenklich in die Kamera, Schlagschatten im Gesicht.

Karen Moser hat von 2011 bis 2014 ein Bachelor Studium in Fine Arts an der HKB absolviert. Anschliessend ging sie nach Antwerpen in Belgien, um dort einen Master in Fine Arts an der Sint Lucas School of Arts zu erwerben. Von 2019 bis 2022 hat sie ausserdem an der Universität Bern Kunstgeschichte studiert, weil sie sich tiefgreifender mit theoretischen Aspekten und dem Schreiben befassen wollte.

Woran arbeitest du aktuell?

Zurzeit darf ich im Rahmen eines Atelierstipendiums des Kanton Bern ein halbes Jahr an der Cité internationale des arts in Paris arbeiten. Ich bin mit dem öffentlichen Verkehr angereist, daher konzentriere ich mich auf Arbeiten, die leicht transportierbar sind: Recherchen, Text, Fotografie und Video. Gewisse Arbeiten realisiere ich dann in meinem Atelier in Bern.

Thematisch beschäftige ich mich gerade mit unterschiedlichen Internalisierungsprozessen. Beispielsweise damit, wie eine Kontrolle durch ein Aussen schleichend zur Selbstkontrolle wird oder wie die Informationen, mit welchen wir ständig beschallt werden, unser Welt- und Selbstverständnis prägen. Vor Kurzem habe ich über die Flunder gelesen. Nach dem Schlüpfen, als kleiner Fisch, ist sie symmetrisch und erst beim Heranwachsen passt sich ihr Körper so an, dass sie flach am Meeresboden leben kann. Dabei wandert ein Auge auf die andere Körperhälfte. Dieses Anpassen an die Umwelt, oder eher ein Sich-Einschreiben dieser, finde ich faszinierend. Ich male und zeichne eigentlich fast nie, aber nun finde ich das Zeichnen als Prozess des Beobachtens, Einprägens und Wiedergebens analog zum Entwicklungsprozess des Fisches ganz schön. Vielleicht ist es eine gute Beschäftigung, die Flunder abzubilden, wenn ich im Atelier sonst nicht weiterkomme.

Wie findest du Themen für deine Arbeit?

Viele Themen sind anhaltende oder wiederkehrende Interessen, die mich länger begleiten. Vor allem die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Systemen und Institutionen finde ich spannend, das kann einen Ausstellungsort oder die Sprache betreffen. Die Systeme sind einerseits dazu da, gemeinsam die Welt zu bewohnen, bringen aber durchaus Probleme wie Machtstrukturen oder Diskriminierungen mit sich.

Ich bediene mich oft Gegenständen, denen ich im Alltag begegne und versuche, sie durch eine subtile Bearbeitung oder Nachahmung neu zu kontextualisieren. Das können zum Beispiel Insektenfallen im Museum sein, die ich während meinem Nebenjob als Aufsicht entdeckt habe. Sie sagen viel darüber aus, wie wir das Kulturerbe vom Lebendigen trennen. In dem Fall sind es Schädlinge, die eine Zeichnung oder eine hölzerne Skulptur verspeisen würden.

Ab wann verdient man mit einem Fine Arts Studium Geld?

Ein konstantes, sicheres Einkommen ist mit diesem Studium nicht garantiert. Deshalb haben viele Künstler*innen noch einen anderen Job in der Ausstellungstechnik, in der Gastronomie, sie unterrichten oder forschen. Eine Balance zu finden ist teilweise schwierig, weil es für viele Fördergefässe wie Residencies oder kurzfristige Ausstellungsanfragen von Vorteil ist, wenn man flexibel und mobil bleibt. Dies verhindert jedoch gerade, in einem zweiten Job mehr Verantwortung zu übernehmen und so bleiben oft die schlechter bezahlten Tätigkeiten übrig. Allerdings sind wir in der Schweiz sehr privilegiert, es gibt viele Preise, Projektbeiträge und Stipendien, auf die man sich bewerben kann. Geht es in Richtung Forschung, tun sich da wiederum neue Möglichkeiten auf, weil diese eher validiert wird. Weitere Einkünfte können Kunst am Bau Projekte bringen, die allerdings sehr viel Arbeit, teils  über mehrere Jahre hinweg, bedeuten. Es sind sehr spannende Projekte, weil das Publikum, die Dimension, die Dauer des Werkes ganz anders sind, als es beispielsweise in Ausstellungen der Fall ist.

Was ist dir vom Studienalltag an der HKB am meisten in Erinnerung geblieben?

Es war für mich eine schöne Zeit mit vielen Freiheiten, aber auch Unsicherheiten. Wir konnten Tag und Nacht im Atelier sein, arbeiten, uns austauschen... Etliche Freundschaften sind bis heute geblieben und für mich wirklich wertvoll. Anfangs habe ich vom Theorieunterricht teils wenig verstanden, weil ich nicht viel über zeitgenössische Kunst wusste. Einfach mal zuzuhören, war eine gute Strategie.

Im Studium geht es nicht nur darum, etwas zu produzieren, sondern auch darum, reden zu lernen, formulieren zu lernen, zu lernen, Details zu betrachten. Immer wieder erschliessen sich manche Inhalte aus dem Studium, die vorher vage Eindrücke waren oder es lassen sich neue Bezüge herstellen.

Sehen Sie sich auf www.karenmoser.ch weitere Arbeiten von Karen an.

Das Gespräch führte Dorothee Joss