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HKB-Alumna Louisa Merten befragt

09.09.2025 Louisa Merten hat an der HKB Literarisches Schreiben und Contemporary Arts Practice studiert. Erfahren Sie, wie es für sie ist, ihren Debütroman in den Händen zu halten, an dem sie sieben Jahre geschrieben hat.

Die junge Frau sitzt auf der Treppe des Lenos Verlags. Ihr türkisfarbenes Kleid passt perfekt zum Geländer. Sie trägt das braune Haar nach hinten gebunden und eine Brille.
Louisa Merten beim Lenos Verlag.

Wir befinden uns im Garten des Lenos Verlag, bei dem «Hundesöhne» im August 2025 erschienen ist. Die spätsommerliche klare Morgenluft passt zu Louisas freundlicher Art und präzisen Ausdrucksweise. Weil Merten während der HKB-Zeit an ihrem Debütroman geschrieben hat und dieser Anfang 2025 mit dem Chrysalide-Binding-Förderpreis ausgezeichnet wurde, sprechen wir mit ihr zunächst über die Entstehung dieses Texts. 

Du hast während deinem Bachelor und während Contemporary Arts Practice, dem interdisziplinären Master der HKB an deinem Debütroman geschrieben, korrekt? 

Ja, genau. Ich habe während dem Bachelor und während dem Master an diesem Debütroman geschrieben.  

Wie darf man sich als Laie die mehrjährige Arbeit am Buch vorstellen? Hat sich der Roman während dem Master noch stark verändert? 

Das muss man sich vielleicht so vorstellen, dass es am Anfang, also schon im Bachelor, entstanden ist. Und zwar als ein autobiografisches Fragment – sehr, sehr klein und bescheiden, nur ein Text von zwei Hunden, die in einem Hinterhof spielen und dann ist das Tierheim rundherum entstanden. Ich habe – auch weil mir das als Schauplatz wichtig, interessant und voller Gegensätze erschienen ist, noch während dem Bachelor ein mehrwöchiges Praktikum in einem Tierheim gemacht. So konnte ich schauen, wie das dort so läuft. Anhand dieser Erfahrung habe ich das fiktionale Tierheim um den Text aufgebaut. So ist die Bachelorthesis entstanden, die ein erster Entwurf gewesen ist. Sie hatte noch keinen Schluss gehabt. Ich habe das im Master zu einer Geschichte mit einem Bogen mit Anfang, Mitte und einem Ende geschrieben. Schliesslich habe ich es für den Chysalide-Binding-Förderpreis überarbeitet und jetzt hat es sich noch einmal gewandelt im Lektorat, bis es in dieser finalen Form im Lenos Verlag erschienen ist. 

Wie war für dich die Zusammenarbeit mit einem Verlag?  War dir wohl dabei oder unangenehm, dass andere Leute reinreden?

Grundsätzlich sind mir gewisse Dinge bekannt gewesen, wie zum Beispiel das Mentorat und die Mentoratsstrukur, die ich bereits aus dem Bachelor Literarisches Schreiben und aus dem Master Contemporary Arts Practice kannte. Dort haben mir auch Leute Feedback gegeben zu meinen Texten oder mir auf eine gewisse Art und Weis Hilfestellungen geleistet haben oder einen externen Blick darauf geworfen haben. Trotzdem waren die Zusammenarbeit mit einem Verlag und das Erscheinen des Buchs nochmals eine ganz neue Erfahrung. Ob angenehm oder unangenehm, ist schwierig zu beantworten. Es war sicher verbunden mit einer grossen Nervosität, weil ich auch nicht gewusst habe, wie das Buch ankommt, was die Reaktionen sein würden, wenn das plötzlich ein grösseres Publikum liest – vielleicht auch Leute, die nicht am Literaturinstitut oder im CAP und wirklich in der Literatur zuhause sind, das Buch einfach von einem Aspekt, eine Geschichte lesen zu wollen, als Ferienlektüre zum Beispiel. Das ist sicher eine spezielle Erfahrung mit dem Debütroman:  das grössere Publikum. 

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Was macht es mit dir, deinen ersten Roman in den Händen zu halten? 

Stolz auf die eine Art und Weise. Dass die sieben Jahre Arbeit in diesem Preis und dieser Publikation gefruchtet haben und so zu einem Abschluss gekommen ist, ist etwas, das mich freut. Kritisch auf die andere Seite. Das Produkt ist jetzt fertig und ich bin zufrieden damit. Ich sehe aber auch immer wieder Sachen, die ich mit mehr Zeit noch einmal überarbeitet hätte.  Jetzt ist etwas Unabänderliches da. Ich musste lernen, dies auszuhalten und mir zu sagen «OK, das ist jetzt abgeschlossen und das ist jetzt einfach, wie es ist.» Gewisse Dinge kann ich in einem neuen Projekt so realisieren, wie ich mir das vielleicht für das alte Projekt bereits gewünscht habe.

Jetzt möchte ich gerne einen Zeitsprung machen in die Zeit vor der HKB. Wann hast du das Schreiben für dich entdeckt? 

Das Schreiben habe ich erst Ende Gymnasium für mich entdeckt. Ich habe relativ spontan damit angefangen. Eine Kollegin hat mich damals am Gymnasium auf eine Ausschreibung vom Aargauer Literaturhaus in Lenzburg aufmerksam gemacht. Dort habe ich mich mit einem fiktionalen Text beworben und kam dort rein. Die Literaturwerkstatt im Literaturhaus wurde von Jens Steiner und von Simone Lappert geleitet. Durch Lappert, die am Literaturinstitut studiert hatte, habe ich erst vom Literaturinstitut erfahren. Ich habe mich dort beworben und so ist alles ins Laufen gekommen. 

«Stolz auf die eine Art und Weise. Kritisch auf die andere Seite.»

  • Louisa Merten

Wie ist das genau verlaufen, hat deine Kollegin Texte von dir gelesen und gefunden «Wow! Du schreibst so gut.»? Man bewirbt sich nicht einfach so für eine Schreibwerkstatt. 

Ja, meine Kollegin hat damals darauf reagiert, dass ich relativ solide Deutschaufsätze geschrieben habe. Ich glaube, es hat wirklich mit dem angefangen. Wir hatten eine etwas gefürchtete Deutschlehrerin gehabt, wenn man so will. Sie hat meine Aufsätze sehr geschätzt und das hat irgendwie die Runde gemacht, zumindest in der Klasse. Ich bin einfach bekannt gewesen als die, die Aufsätze schreiben kann, mit denen die Lehrerin zufrieden ist und ein gutes Händchen für Buchinterpretationen hat, wie man sie im Gymnasium wünscht. Meiner Kollegin habe ich auch manchmal geholfen auch mit Bewerbungen. So hat sie spontan gefunden, ich soll da etwas einreichen. 

Wenn man doch schon so gut schreiben kann, was ist denn der Grund, weshalb man sich entscheidet, das literarische Schreiben zu studieren. Lohnt es sich, sich in den eigenen Stil reinreden zu lassen? 

Es ist eine Diskussion, ob man das Schreiben lernen oder unterrichten kann an einer Hochschule. Die gleiche Frage könnte man sich stellen mit den bildenden Künsten, mit Fine Arts. Entweder kann man es, hat man das Gespür dafür, oder man kann es nicht. Kann man da noch etwas vermitteln? 

 

Was sicher ein Vorteil ist, ist, dass ich als Autorin von einem Text nicht alles sehe. Ich schreibe von mir aus, ich habe gewisse Hintergrundinformationen, die jemand Aussenstehendes nicht hat. Ich glaube, ich selber bin zum Beispiel jemand mit einem relativ grossen Vorstellungsvermögen. Das heisst, wenn ich mir ein Wohnzimmer vorstelle, dann habe ich nicht den Anspruch, das noch gross bis jedes Detail zu beschreiben, weil für mich gewisse Sachen einfach klar sind – für einen Lesenden aber nicht. Gewisse Hinweise erleichtern bestimmte Prozesse erheblich. Das ist das Erlebnis, das ich mit dem Mentorat oder mit den Ateliers im Austausch mit anderen Studierenden und Schriftstellerinnen und Schriftstellern am Literaturinstitut und im CAP gemacht habe. 

 

Das andere ist tatsächlich, dass ich schon auch meine eigenen Ideen und Interessen, meinen eigenen Stil, meinen eigenen Duktus habe. Es kann auch verunsichernd sein, wenn einem Leute reinreden oder vielleicht sogar mit eigenen Wertvorstellungen reinkommen: «Ja, das kann man doch nicht so sagen. Ja, das kann man doch nicht so machen. Ja, das glaube ich dieser Figur jetzt nicht.» Es kann schwierig sein, wenn das Feedback zu früh kommt – diese Erfahrung habe ich auch gemacht. 

Was hast du während deiner Zeit am Schweizerischen Literaturinstitut besonders geschätzt? 

Ich habe geschätzt am Literaturinstitut, dass es mir einen Weg geebnet hat, mein Schreiben im Alltag zu integrieren und mir die Techniken und Möglichkeiten vermittelt hat, wie ich überhaupt so einen langen Text aufbauen kann. Ich glaube, jetzt bin ich an einem Punkt, wo ich das wirklich auch selber oder mit einer grösseren Selbständigkeit kann und vielleicht auch weniger auf diese Feedbacks angewiesen bin. Ich glaube, das Schreiben ist immer ein Lernprozess auch für einen selber. Ich lerne beim Schreiben immer dazu – egal ob ich eine Mentorin oder ein Mentor oder eine Atelierkollegin oder ein Atelierkollege vor mir oder neben mir habe. 

War «Hundesöhne» der Grund gewesen, weshalb du entschieden hast, das CAP zu machen oder wusstest du von Anfang an, dass du länger studieren möchtest?  

Es war eine spontane Entscheidung gewesen. Ich habe bis zum allerletzten Drücker nicht gewusst, ob ich mich bewerben soll oder nicht. Ich war noch ziemlich «voll» gewesen mit Inputs vom Literaturinstitut und habe nicht gewusst, ob ich zunächst Pause brauche. Aber ich habe dann gemerkt, dass ich an einem Punkt war, wo ich von zwei weiteren Jahren Mentorat profitieren würde.  

Gibt es ein Highlight aus deiner Studiumszeit an der HKB? 

Ich hatte schöne Erlebnisse in interdisziplinären Toolbox-Wochen an der HKB. Die haben wir vor allem im CAP gemacht. Man kommt mit HKB-Studierenden aus verschiedensten Disziplinen und Sparten zusammen. Es sind Kurse, die für alle offen sind! Da lernt man Leute kennen aus der HKB, die man sonst nie treffen würde. Ich habe das immer als sehr bereichernd wahrgenommen.  

 

Auch das Mentorat habe ich als eine lehrreiche Erfahrung sowohl am Literaturinstitut als auch im CAP sehr geschätzt. Im CAP hat mir besonders gefallen, dass wir eine Vielfalt an Leuten mit verschiedenen kulturellen und sprachlichen Hintergründen und unterschiedlichen Alters gehabt haben. Diese Vielfalt hat mein Schreiben sehr bereichert. 

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