- Story
HKB-Studentin Lilly Hartmann befragt
17.12.2025
Nach ihrem Master in Psychologie hat sich Lilly Hartmann für eine «180 Grad Wendung» entschieden und machte ein Zweitstudium an der HKB. Sie hat mit uns über ihre Zukunftspläne, das Studium und was sie an Bern besonders schätzt, gesprochen.
Im Aufenthaltsraum des Zikadenwegs herrscht ein Kommen und Gehen. In den Proberäumen findet Unterricht statt. Lilly Hartmann kennt die Menschen hier gut, sie ist seit vier Jahren an der HKB, hat hier bereits den Bachelor in Theater/Schauspiel gemacht. Im kommenden Sommer wird sie den Master in Acting for Screen & Digital Media abschliessen.
Du hast einen Master in Kognitive und Klinische Psychologie – wie kam es dazu, dass du dich für ein Zweitstudium an der HKB entschieden hast?
In meiner Studienzeit habe ich angefangen, in einer Impro-Theatergruppe zu spielen. Zuerst war das ein Hobby, dann wurde es ein immer grösserer Teil meines Lebens und auch immer mehr wie ein Job. Ich habe Menschen kennengelernt, die an Schauspielschulen vorgesprochen haben. Ich habe angefangen Infos zu sammeln und da kam der Gedanke: Ich glaube, ich will das und ich glaube, ich will das richtig von der Pike auf lernen. Zuerst wollte ich aber auf jeden Fall meinen Master abschliessen und arbeiten. Nach dem Master habe ich während Corona zwei Jahre an der Uniklinik gearbeitet, dann kam der Punkt, an dem ich mir sagte: Wenn ich mich jetzt nicht traue und probiere, ob das klappt mit der Schauspielerei, dann mache ich es nicht mehr. Ich hatte bereits einen Vertrag in Berlin unterschrieben und war drauf und dran Psychotherapeutin zu werden, als die Zusage für den Studienplatz von der HKB kam. Nun bin ich seit vier Jahren hier. Das war eine 180 Grad Wendung in meinem Leben – von der Wissenschaftswelt hin zu «Kunstmachen» den ganzen Tag.
«Wir haben dafür mit den Regiestudierenden der Filmuni in Mailand zusammengearbeitet. Es war beeindruckend.»
Gibt es Parallelen zwischen deiner Erstausbildung als Psychologin und jetzt in der Schauspielerei?
Ich denke viel darüber nach und meistens habe ich das Gefühl, dass es zwei komplett verschiedene Sachen sind. Aber klar, es geht irgendwie immer um Menschen. Das ist auch mein grosses Interesse. In der Psychologie schauen wir, was haben wir Menschen alle gemeinsam, worin unterscheiden wir uns, wie können wir das messen und wie können wir damit Forschung betreiben, damit wir vielleicht etwas besser machen können. Im Schauspiel müssen wir die ganze Zeit in Beziehungen treten, das Menschsein als Geschichten erzählen und im Spiel ausprobieren. Wir schreien uns ganz viel an und wir heulen ganz viel. Ich habe gerade gestern den ganzen Tag geheult bei einer Probe für einen Film. Wir probieren so alle Facetten vom Menschsein und vom Erleben und Fühlen so direkt aus. Und wir wollen ja auch keine Krankheiten damit heilen, sondern wir wollen Geschichten damit erzählen, die vielleicht bewegen. Vielleicht wollen wir am Ende des Tages auch irgendwas besser machen und Menschen erreichen, aber es ist wirklich ein ganz anderer Ansatz.
Du warst gerade in Mailand. Was hast du dort gemacht?
Wir waren mit der Masterklasse von Acting for Screen & Digital Media an einer Filmhochschule in Mailand – die NABA. Dort haben sie in den letzten Monaten ein Studio mit einem ganzen Zugabteil aufgebaut. Es war so ein Viererabteil und hinter dem Zugfenster, was sie gebaut haben, ist ein grosser Bildschirm, über den eine Landschaft vorbeizieht. Je nachdem wie sich die Kamera bewegt, verschiebt sich auch die Perspektive der Landschaft – wirklich ein professionelles High-End Filmstudio. Wir durften dort eine Szene drehen. Wir waren in Zweierkonstellationen und haben alle dieselbe Szene gespielt, aber alle in einem anderen Genre. Also, ich zum Beispiel habe die Szene als Psychothriller gedreht, andere als Romantische Komödie. Wir haben dafür mit den Regiestudierenden der Filmuni in Mailand zusammengearbeitet. Es war beeindruckend.
Du hast bereits in Costa Rica, Rom und natürlich Deutschland gelebt. Jetzt studierst du in Bern. Was gefällt dir hier besonders?
Bern ist die bisher kleinste Stadt, in der ich gelebt hate. Und das ist auch das, was mir so gut daran gefällt. Es ist ein schöner kleiner Kosmos, der gleichzeitig familiär und warm ist. Ich bin auch hier in einer Improtheatergruppe, weil ich Improtheater dann zu sehr vermisst habe und nicht immer so «ernsthaftes» Schauspiel machen wollte. Diese Gruppe ist mir unglaublich ans Herz gewachsen. So habe ich auch Schweizer*innen kennengelernt und fühle mich jetzt auch wirklich richtig zu Hause hier.
Du hast 2024/25 am Theater St. Gallen gearbeitet. Was hast du dabei speziell gelernt?
Wir haben in Bern im Bachelor Theater so eine sechsmonatige Kooperation mit Theatern und ich durfte meine am Konzerttheater St. Gallen machen. Ich habe drei Produktionen direkt hintereinander gespielt in sechs Monaten, was ein ganz gutes Pensum war. Ich hatte immer samstags Premiere von der einen Produktion und Montag Konzeptionsprobe von der nächsten. Meine erste Produktion war ein Musical «The Rocky Horror Show», basierend auf dem Film «Rocky Horror Picture Show». Das war für mich die die wildeste Theatererfahrung bisher, weil ich unfassbar viel machen durfte – ich singe, tanze, trage die ganze Zeit so hohe High Heels, spreche die ganze Zeit mit so einer hohen Comicstimme. Es kam sehr gut an und wird jetzt auch wieder ins Programm aufgenommen. Das heisst, ich habe in zwei Wochen wieder Proben in St. Gallen. Darauf freue ich mich sehr.
Ich habe auch eine inklusive Produktion gespielt, das war eine Kooperation vom Theater St. Gallen und dem Theater HORA in Zürich. Dort spielen Schauspieler*innen mit verschiedenen Beeinträchtigungen mit. Das war auch eine wahnsinnig prägende Erfahrung. Das hat viel Spass gemacht und nochmal Welten eröffnet, was Theater alles sein kann.
Und dann habe ich noch ein Zweipersonenstück ein Jahr lang an Schulen rund um St. Gallen gespielt. Ich war, glaube ich, in jeder Grundschule im ganzen Kanton und habe das Stück immer wieder und wieder gespielt. Das war eine krasse Erfahrung, auch früh morgens zu Spielen vor vielen Kindern. Ich bin wirklich sehr dankbar für die Erfahrungen.
Was sind deine Pläne nach dem Master?
Der Master geht jetzt noch bis zum Sommer und wir haben noch verschiedene Workshops und ein Masterprojekt. Es kristallisiert sich raus, dass meine Leidenschaft beim Filmschauspiel liegt. Ich habe auch Lust, als Gast an Theatern hier und da zu spielen, weil ich sehr gerne unterwegs bin und andere Orte entdecke. Mein Traum wäre es, einen tollen Film oder eine Serie im Jahr zu drehen, eine Theaterproduktion im Jahr als Gast in einer spannenden Stadt zu machen und dann eine 30 Prozent Stelle als Psychologin im klinischen Bereich. Das wäre der Traum.